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Bundestag beschließt Novelle des Wettbewerbsrechts

bundestag

back-to-topGesetzesänderung gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussierendes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht


Amazon, Google, Apple und auch Facebook müssen sich ab Januar 2021 beugen. Der Bundestag stimmte in der dritten Lesung nach monatelanger Diskussion der Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu. Ziel dieses Gesetzes ist es, missbräuchlichem Verhalten von bekannten Unternehmen mit überragender, marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb besser entgegenzusteuern. Die Reform soll zudem den Wettbewerbsbehörden ein schnelleres und zielorientierteres Handeln ermöglichen.

Damit können die Kartellbehörden gegen jegliche Digitalkonzerne vorgehen und Wettbewerbsverzerrungen vorzeitig vermeiden. Die Novelle - §19a wurde vom Wirtschaftsausschuss noch genauer definiert. Die Vorschriften um den Kernparagrafen entwickelten sich dahin, präziser und gefasster mit glasklaren Beispielen versehen zu werden. Punktuell entstanden eindeutige Verhaltenspflichten. Die Umsatzschwelle für die Fusionskontrolle wurde angehoben, um das Bundeskartellamt zu entlasten. Nach §19a wurde dem Bundesgerichtshof die erstinstanzliche Zuständigkeit für Streitigkeiten gegen Verfügung des Bundeskartellamts zugeteilt, damit Verfahren beschleunigt werden können.

Genaue Ziele dieses Gesetzes sollen bewirken, dass missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender, marktübergreifender Bedeutung des Wettbewerbs besser zu beobachten sei. Somit kann schon vor der Überschreitung des Gesetzes der schnelllebigen Unternehmen vorzeitig eingegriffen werden. Gleichzeitig sollen mit individuellen Datenzugangsregulierungen Neuerungen gefördert und Märkte offengehalten werden. Ein weiterer Vorteil bietet die Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse durch die Kartellbehörden. Zudem schafft das neue Gesetz Erleichterungen im Recht der Fusionskontrolle. Unternehmen erhalten in Zukunft bei einer Kooperation mehr Rechtssicherheit bei einer gemeinsamen Nutzung von Daten oder dem Aufbau von Plattformen.

Laut Bundesregierung soll es künftig Digitalunternehmen untersagt sein, konkurrenzeingestellte Angebote wie Suchergebnisse, schlechter darzustellen.

Das DWB-Digitalisierungsgesetz wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Obwohl „Die Grünen“ der Novelle zustimmte, bemängelten sie das „schleppende Tempo“, mit der die Reform umgesetzt wurde. Die Oppositionsparteien AfD, FDP und die Linken enthielten sich. Die AfD machte sich jedoch statt einer Änderung des Kartellrechtes für einen freiwilligen „Verhaltenskodex“ stark. Dieser sollte zwischen den Unternehmensverbänden und den Verbraucherverbänden ausgehandelt werden. Trotzdem sich die „Linke“ enthielt, forderte sie eine präventive Zerschlagung der großen Konzerne, die derzeit in den USA diskutiert werde. Die Handlungen der Parteien bleiben interessant. Zuvor lehnte der Bundestag einen Antrag der Partei „Die Linke“ zum Wettbewerbsrecht ab, der das „Digitale Monopoly“ beenden sollte. Ebenfalls wurde der Antrag „Internetgiganten zähmen - Fairer Wettbewerb für digitale Plattformen herstellen“ der Grünen abgelehnt. Hierzu gab es jedoch die Stimmen der Linken. Bei einer weiteren Einreichung der Grünen zu dem Titel „Verbraucherschutz und fairen Wettbewerb stärken“ enthielt sich die Linksfraktion. Auch für den eingereichten Antrag der FDP „Für ein selbstbewusstes und wachstumsorientiertes Wettbewerbsrecht auf digitalen Märkten“ gab es keine Mehrheit.

Doch die mit der Digitalisierung kommende Änderung wirtschaftlicher Machtverhältnisse stellt die Wettbewerbspolitik auch vor einer großen Herausforderung. Alle Daten besitzen einen mächtigen Einfluss und eine präzise Manipulation. Eine Änderung an der Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen war unumgänglich, da infolge starker Netzwerkeffekte sowie Skalen- und Verbundvorteile in der Marktkonzentrations- und Monopolisierungstendenzen beobachtet werden konnte. Dadurch stieg die Marktmacht der Plattformbetreiber, die Nutzerdaten sammeln, diese auswerten und verschiedenen Anbietern den Zugang zu Kundengruppen erschweren konnten. Durch ausgeklüngelte, erfolgreiche Strategien können marktübergreifende, (selbst lang erhaltende) Plattformunternehmen ihre Position am Markt durch nicht-wettbewerblichen Mitteln verfeinern. Ihr digitales System würde langfristig unangreifbar werden und damit neue Innovationen durch künftige Handelnde behindern. „Das neue Gesetz sei unumgänglich gewesen, dementsprechend bekämen die Aufsichtsbehörden mehr Möglichkeiten zum Eingriff“, erklärt der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU. Auch Joachim Pfeifer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Union, vertritt die Meinung, dass dies die Antwort auf teilweise monopolarartige Strukturen in der Digitalbrache sei, denn der funktionierende Wettbewerb auf den digitalen Märkten sei eindeutig in zunehmender Gefahr.

Vertreter und Vertreterinnen der Regierungsparteien weisen darauf hin, dass die Gesetzesänderung nicht die Absicht hegt, die digitale Wirtschaft, gemessen an der Größe eines Unternehmens, auszubremsen. Matthias Heidner, CDU-Abgeordneter, verlieh seinen Äußerungen einen starken Nachdruck. „Wir möchten die Pflichtigen in Verantwortung nehmen, sodass sie ihre Machtposition nicht zum Nachteil gegenüber den Wettbewerbern, den Verbrauchern und den Unternehmen weiter ausspielen können.“ Sein Parteikollege Hansjörg Durz schaut ebenfalls selbstbewusst und optimistisch in die Zukunft. „Wir feiern nicht weniger als die Geburtsstunde der sozialen Digitalwirtschaft.“

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, begrüßte den Entschluss ebenfalls. „Der deutsche Gesetzgeber ist internationaler Vorreiter. Zukünftig werden wir bestimmte Verhaltensweisen der Big-Tech- Unternehmen frühzeitig untersagen können, bevor es zu schwerwiegenden Eskalationen kommt.“ Allerdings gab es auch wieder Kritik hierzu. Vorsichtige Zweifel stiegen beim Digitalverband Bitkom und dem Industrieverband BDI auf. Susanne Dehmel von Bitkom äußerte sich sehr gradlinig zu diesem Thema „Künftige Innovationen und viele Geschäftsmodelle basieren vor allem auf zuverlässige Daten. Für Unternehmen ist es in erster Linie entscheidend, dass sich ihre Investitionen in der Erhebung und Auswertung von divers gespeicherten Informationen wirtschaftlich lohnen. Das gerade verabschiedete Gesetz birgt die Gefahr, dass es datengetriebene Geschäftsmodelle ausbremst. Zukünftig werden sich Unternehmen gut überlegen müssen, ob sie in innovative Lösungen investieren, wenn die daraus gewonnenen Erkenntnisse anschließend mit Wettbewerbern geteilt werden müssen.“

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Ausgedruckt am: 28.03.2024 um 11:03 Uhr

Mitglied: 117471
117471 27.01.2021 um 15:45:37 Uhr
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Hallo,

wie soll das eigentlich - global betrachtet - genau funktionieren? Die in Deutschland verfassten Beiträge sind auch im Land der unbegrenzten Dämlichkeiten lesbar; und vielleicht sogar relevant. Zum Beispiel dann, wenn man Freunde oder Verwandte im Ausland hat.

Ein weltweit agierendes Netzwerk kann sich somit alleine schon aus logischen Gründen nicht zum Erfüllungsgehilfen einzelner Regierungen machen. Ein Putin wird immer eine andere Meinung als ein Erdogan haben - wessen Regulierungswerk hätte in so einem Fall höhere Priorität?

Abgesehen davon habe ich eh' den Eindruck, als wenn unsere Internetausdrucker eher überfordert sind: Wer sich z.B. echauffiert, dass Twitter Donald Trump "wegzensiert" hat sollte sich vielleicht einmal den Unterschied zwischen Menschenrechten und Nutzungsbedingungen privater Dienste (die man akzeptieren kann oder nicht) vor Augen führen.

Für mich geht das immer mehr in Richtung 1984: Zuerst ist man sich bewusst geworden, dass man nicht reglementieren kann was auf Papier geschrieben wird und irgendwann wird der Besitz vom Papier zwar nicht verboten (...es gibt ja kein Gesetz dagegen...), bestraft wird man aber dennoch für dessen Besitz. Weil - es könnte ja die Vorstufe zu einem Gedankenverbrechen sein. Wie will man schon beweisen, dass man etwas unverfängliches aufschreiben wollte?

Und selbst wenn man kein Papier mehr besitzt, ist es auch nicht recht. Wir wissen ja alle: Wer nicht auffällt, der hat erst Recht etwas zu verbergen.

Gruß,
Jörg
Mitglied: Lochkartenstanzer
Lochkartenstanzer 28.01.2021 aktualisiert um 18:25:39 Uhr
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Moin,

Klar, wenn sich Deppen mal wieder einbilden ausländischen Konzernen vorschreiben zu können, was sie dort machen.

Vermutlich fangen die an irgendwann digitale Zollstationen an den Grenzen aufzustellen. face-smile

lks