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Was kann ein PEPP-PT-Netzwerk leisten?

Es ist zu begrüßen, dass die Unternehmen und Wissenschaftler, die dabei sind, das
Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing 
(PEPP-PT) -System [2] 
zu entwickeln, eine DSGVO-Konformität des Systems anstreben. Nichtsdestotrotz vermisse ich beim schlagzeilenträchtigen PEPP-PT-System ein solides Technisches Grundkonzept.

Die Schwäche des PEPP-PT Lösungsansatzes sehe ich persönlich darin, dass auch bei optimalen Bedingungen für die Etablierung eines PEPP-PT-Netzwerks davon nur eine klar abgegrenzte Zielgruppe profitieren kann.. Aus folgenden Gründen:

1) nicht alle Mitmenschen verfügen über ein App-fähiges Smartphone
2) noch weniger potenzielle Teilnehmer eines PEPP-PT-Netzwerks haben ein Smartphone mit einem Betreibssystem, auf dem die noch zu programmierenden PEPP-PT-basierte Apps lauffähig sind
3) und noch weniger werden die PEPP-PT-basierte Apps auf dem Smartphone installieren - warum auch immer
4) aber auch dann, wenn so eine PEPP-PT-App installiert ist, ist - soweit ich's verstanden habe, die Voraussetzung, dass der PEPP-PT-Lösungsansatz funktioniert, dass Bluetooth auf dem Smartphone durchgehend aktiv ist. Ich persönlich aktiviere Bluetooth und WLAN nur dann, wenn ich diese tatsächlich brauche, damit der Akku länger hält. Aus ähnlichen Gründen verhalten sich vermutlich auch viele andere Smartphone-Nutzer. Dieses Verhalten zu ändern ist noch eine Hürde, die eine PEPP-PT-basierte Lösung zu überwinden hat.

Der von den PEPP-PT-Initiatoren angestrebter Lösungsansatz kann nur funktionieren, wenn
a) ausreichend viele Mitmenschen eine Möglichkeit haben, mitzumachen - s. oben genannte technische Voraussetzungen.
b) ausreichend viele Mitmenschen bereit sind, mitzumachen. In einer Gesellschaft, die von einem totalitären Regime regiert wird, ist es kein Problem - s. China. Aus meiner Sicht wäre eine staatlicherseits vorgeschriebene Zwangsinstallation einer PEPP-PT-App, deren Nutzen fraglich ist, eine klare Verletzung der in der Verfassung Bundesrepublik garantierten Bürgerrechte.

Und - mal angenommen - die auf PEPP-PT-Apps basierten Lösungen würden tatsächlich für bestimmte Zielgruppen einen messbaren Vorteil bringen. Dann stellt sich aus meiner Sicht eine grundsätzliche Frage der Verhältnismäßigkeit und der Gerechtigkeit:
c) ist es gerecht, dass jetzt die öffentliche Aufmerksamkeit, die öffentliche Gelder für die Absicherung dieser eng gefassten vermutlich hinsichtlich Einkommen besser gestellten Zielgruppe eingesetzt werden?
d) diese Ressourcen, die Aufmerksamkeit und die Gelder fehlen dann, um Lösungsansätze und Lösungen für den Rest der Gesellschaft zu entwickeln.

Die Medien haben in der Vergangenheit wiederholt berichtet, dass aufgrund von gender- bzw. milieudiskriminierender Datenmodelle bestimmte Geschlechter bzw. Milieus benachteiligen wurden.

"Computer sind niemals müde, willkürlich oder emotional. Sie treffen immer diejenigen Entscheidungen, die ihnen nach bestimmten Kriterien vorgegeben wurden oder die sie aus Daten gelernt haben. Bei Menschen ist das anders: Sie entscheiden subjektiv unter Einfluss von Stress, Stimmungslage und unbewussten Vorurteilen. Die strukturelle Diskriminierung bestimmter Personengruppen durch menschliche Entscheidungen ist wissenschaftlich gut belegt, beispielsweise bei der Benachteiligung von Jobbewerbungen mit ausländisch klingenden Namen.27 Algorithmen können Entscheidungen daher transparenter, fairer und gerechter machen. Voraussetzungen dafür sind passend vorgegebene Lernmuster – ansons-ten droht die Gefahr, dass Algorithmen den gegebenen gesellschaftlichen Zustand lediglich reproduzieren.
[...]
Algorithmische Entscheidungssysteme können unbewusste Diskriminierung („Bias“) aufdecken und vermeiden, andererseits aber auch selbst unbeabsichtigt diskriminieren, wenn die zugrundeliegende Datenbasis oder das zugrundeliegende Regelwerk nicht stimmen.
", S. 9 -10, [3]

Meine persönliche Meinung - bei der PEPP-PT-Projektbeschreibung und beim Pushen des PEPP-PT-Lösungsansatzes in den Medien wird die Tatsache ignoriert, dass nicht alle Mitmenschen PEPP-PT-App-fähige Smartphone besitzen. Damit ignorieren die Initiatoren, Betreiber des PEPP-PT-Projekts und die Politiker, die beim Kampf gegen Corona ihre Aufmerksamkeit schwerpunktmäßig auf PEPP-PT-ähnliche Lösungen richten, andere Mitmenschen massiv und ungerecht, die Mitmenschen, die nicht das Glück haben, ein PEPP-PT-App-fähiges Smartphone zu besitzen.

Was meint die Runde dazu?

= Quellen =
[1] PEPP-PT - https://de.wikipedia.org/wiki/Pan-European_Privacy-Preserving_Proximity_ ...
[2] PePP-PT e.V. i.Gr - https://www.pepp-pt.org/
[3] Mensch, Moral, Maschine. Digitale Ethik, Algorithmen und künstliche Intelligenz. Bundesverband Digitale Wirtschaft - https://www.bvdw.org/fileadmin/bvdw/upload/dokumente/BVDW_Digitale_Ethik ...
Kommentar vom Moderator tomolpi am 13.04.2020 um 14:41:07 Uhr
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Mitglied: itebob
itebob 14.04.2020 aktualisiert um 06:17:13 Uhr
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Die Frage Was kann ein PEPP-PT-Netzwerk leisten? habe ich ursprunglich in der Kategorie
Internet: Soziale Netzwerke
veröffentlicht. Weil ich nach wie vor der Meinung bin, dass beim Lösungsansatz Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing (PEPP-PT) genauso wie bei anderen bei der Bewältigung der COVID19-Pandemie angestrebten Lösungsansätzen das Soziale im breitesten Sinne eine entscheidende Rolle spielt. In meiner Wahrnehmung und in der in der PEPP-PT-Betrachtung im Startbeitrag spielt das Phänomen PEPP-PT-Netzwerk tatsächlich eine wichtige, eher sogar eine entscheidende Rolle. Unter
PEPP-PT-Netzwerk
im engeren Sinne meine ich die Menschen, die eine auf dem PEPP-PT-System basierte App installieren und als Teilnehmer im PEPP-PT-Netzwerk diese App korrekt anwenden. Im breiterem Sinne gehören zum PEPP-PT-Netzwerk auch die Gesamtheit der PEPP-PT-Initiatoren und Unterstützer, wobei die mediale und die staatliche Unterstützung entscheidend sind. Ohne die Medien und ohne dass die Behörden mitspielen hat das PEPP-PT-Projekt keine Zukunft.

Der Moderator, der den Beitrag in "OFF TOPIC" verschoben hat, wie auch die meisten Zeitgenossen verstehen vermutlich unter "Soziale Netzwerke" die "asoziale" Netzwerke wie Facebook und Co.