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Vom Softwareentwickler zum Systemadministrator

Hallo zusammen,

ich spiele mit dem Gedanken, von der Softwareentwicklung auf die Systemadministration umzusteigen und würde gerne auf lange Sicht als Angestellter im öffentlichen Dienst arbeiten (z.B. ITZBund) - nicht zuletzt, weil ich in letzter Zeit das Bedürfnis nach einer gewissen Sicherheit verspüre. Meinem derzeitigen Arbeitgeber geht es zwar auch während der Corona-Krise gut, ich bin aber zunehmend unzufrieden mit der Wirtschafts- und Marketing-Welt.

Zu mir: Ich bin 34 Jahre alt, habe ursprünglich Informatik und Englisch auf Lehramt studiert, arbeite aber nun seit mittlerweile 5 Jahren in einer mittelgroßen Digitalagentur als Software- bzw. Webentwickler mit dem Schwerpunkt Backend/PHP. Hilfreiche Vorkenntnisse sind also vorhanden, allerdings habe ich noch nie komplexere Systeme als Webhostings und noch nie ein größeres Netzwerk als das eigene Heimnetzwerk administriert. ;)

Meine Fragen:

1. Haltet ihr es für realistisch, dass ich den Umstieg neben meinem aktuellen Job schaffe, also durch eine nebenberufliche Ausbildung, den Erwerb von (Zusatz-)Qualifikationen, Zertifikaten usw.?
2. Könnt ihr mir Tipps geben, wie ich die Sache am besten angehe?
3. Hat eventuell schon jemand hier den gleichen Weg (oder einen ähnlichen) beschritten?

Ich freue mich über jeden Rat. face-smile

Grüße
Patrick

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Printed on: April 19, 2024 at 20:04 o'clock

Member: Daemmerung
Daemmerung May 27, 2020 at 18:20:12 (UTC)
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Moin,

hört sich gut an. Zumindest hast du IT-Background und hast sogar eine IT-Ausbildung (Studium). Das sind schonmal gute Voraussetzungen, damit man sich deine Bewerbung im ÖD auch anschaut.

Erstmal stellt sich mir die Frage warum du unbedingt als Systemadministrator im ÖD arbeiten möchtest. Du kannst auch genau so gut als Software-Entwickler im ÖD arbeiten. Die Gehaltsstufe ist i.d.R. die Gleiche.

Aber um bei deiner Frage zu bleiben: Ich selbst habe den Anwendungsentwickler gelernt und habe, genau wie du, nie mehr als einen Web-Server aufgesetzt, bis auf bei mir privat. Ich war auch überwiegend im Backend-PHP-Bereich (z.B. mit CakePHP) unterwegs, bis ich dann meine damalige Anstellung im ÖD bekam. Dort angefangen im 1st-Level und mittlerweile angekommen im 3rd-Level (Systemadministration). Was hab ich in der Zeit gemacht?
- Ich habe mich privat viel mit der Materie Administration beschäftigt
- ich habe mir viel Background-Wissen angeeignet, nach dem Motto: Ich will nicht wissen, dass ich da und da klicken muss, damit es funktioniert, sondern ich möchte wissen, was im Hintergrund im Detail passiert, um Zusammenhänge zu verstehen. Das öffnet einem durchaus die Augen, vor allem, weil du dadurch lernst, wie was funktioniert.
- Im Eigenstudium habe ich bspw. die Powershell erlernt. Die Vorteile, dass ich Programmierer bin, waren enorm: Du musstest nur noch ein wenig umdenken und die Syntax erlernen. Der Rest kam dann nach und nach.

Zusammengefasst: Es ist möglich. Mit viel Engagement und kleinen Anfängen ist auch der Einstieg in die Systemadministration als Entwickler möglich. Oft kannst du dann auch noch beide Welten kombinieren und hast dadurch noch mehr Vorteile.

Grundsätzlich sei auch erwähnt, dass es im ÖD, genau wie in ganz Deutschland, an IT-Fachkräfte mangelt. Die Bewerbungslage ist nicht so dolle, als das man die größte Auswahl hätte...

Viele Grüße
Toni
Member: Lochkartenstanzer
Lochkartenstanzer May 27, 2020 at 19:34:20 (UTC)
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Zitat von @Daemmerung:

Grundsätzlich sei auch erwähnt, dass es im ÖD, genau wie in ganz Deutschland, an IT-Fachkräfte mangelt. Die Bewerbungslage ist nicht so dolle, als das man die größte Auswahl hätte...

If you pay peanuts, you get monkeys. face-smile

lks
Member: maretz
maretz May 28, 2020 at 06:03:13 (UTC)
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Hi,

ob du den Umstieg schaffst hängt einfach nur von DIR ab, DAS kann dir keiner sagen. Technisch ist das kein Problem - ich springe immer zwischen beiden Welten hin und her.Zum einen mache ich die Administration für Netzwerke und Server, zum anderen bin ich auch weiterhin Entwickler weil ich mir halt die Tools auch selber baue die ich brauche (da es da vieles einfach noch nicht gibt). Da spricht also nix gegen wenn man beide Welten kennt. Zumal es natürlich auch hilfreich ist wenn man weiss wie Software gebaut wird um das ein oder andere mal zu schauen warum die auseinander fliegt. (Nachteil: Man is oft genervt weil man zwar den Fehler sieht aber nix machen kann da man am Programm ja nix ändern kann ;) )

Wie gehst du das am besten an? Auch das hängt eher von dir und deinen Umständen ab. Du kannst halt z.B. in den 1st Level-Support gehen und dich dann "hocharbeiten" - nur muss dir klar sein das es natürlich da auch um Geld geht... Denn natürlich verdient man im 1st Level weniger als wenns direkt an die Administration geht. Du kannst aber ja auch in deinem jetztigen Job ggf. schon mal etwas über den Tellerrand gucken - das kann dir hier keiner beantworten ob das geht. Andersrum kann es aber ja auch sein das dein Ziel ein anderes ist - und du eben nich im 1st Level anfangen willst bei dem du ggf. 3/4 der Zeit am Telefon hängst und den Anrufer erklärst das die bitte Papier in den Drucker packen sollen dann gehts auch...

Was dir allerdings klar sein muss: Im öffentlichen Dienst läuft es zum Teil halt anders. Da wo ich in der freien Marktwirtschaft im Zweifel auch mal ne "Abkürzung" nehmen kann geht das halt da nich so einfach. Da wo im freien Bereich der Kollege der den ganzen Tag nur rumsitzt ggf. eben auch mal raus is kann es dir im ÖD passieren das der sogar noch schneller als du befördert wird da es ja wenig Fehler gibt aber eben die Akten dafür immer schön gestapelt sind. Und es kommt halt auch darauf an was du genau machst - denn nicht jeder ist heute "Beamter auf Lebenszeit", damit kannst du prinzipiell genauso wie jeder andere auch gekündigt werden. Ich würde daher nich unbedingt nur gucken wo es sicher ist, du willst das ggf. noch über 30 Jahre machen sondern eben auch ob es mir da SPASS macht.
Member: H41mSh1C0R
H41mSh1C0R May 28, 2020 at 09:23:38 (UTC)
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Ganz wichtig im ÖD:

!Lasst euch nicht kaputt spielen! Der Dank geht nur über die EG. *g*

Wer seinen Platz gefunden hat der Spaß macht, schaut das die Arbeit läuft und gut ist.
Wenn etwas einfach nicht gehen will, die Entscheiderschichten
über einem es aber aus fachlicher Unkenntnis/Ignoranz trotzdem wollen, muss es eben krachen! *kontrolliert abbrennen lassen* =)
Sind eben auch nur Menschen und wie die meisten lernen auch die gut durch Schmerz.

Meine bisherigen Pro und Contras des ÖD:

Pro:
- entspanntes Arbeiten, wenn das Team stimmt und man sich an die Geschwindigkeiten der Ticket gewöhnt hat
- Arbeit von 6:00-14:30 --> Stift fallen lassen können
- EG für den Osten ermöglichen eine solide Basis
- Zeit für Family, Hobbies etc., war vorher in der freien bei 70h+ in der Woche schwierig, wenn man permanent beim Kunden ist
- Schulung bei uns kein negativ Thema, 2019 waren es 30h+ Schulungstage
- endlich ist Homeoffice kein NoGo Problem mehr ^^
- Geld pünktlich auf dem Konto
- wer seine Arbeit ordentlich dokumentiert ist Safe, das habe ich im Projektgeschäft gelernt


Contra:
- die EG ist halt Bundesweit fix, als Ing. würd ich für eine EG12 im Westen nicht im ÖD arbeiten wollen, im Osten tendiert die Wahl dann eher zum ÖD als zum Personalhändler der einen in der DACH Region einsetzt.
- Aufstiege in der EG nicht auf jeder Stelle möglich
- Verbeamtung schwierig, hängt von der Region und Ministerium ab
- starre Eingruppierung in Teams, d.h. Client Truppe ist Client Truppe und Server Truppe ist Server Truppe, da ist es egal ob dein Arbeitsbereich sich in beiden Teilen befindet. Bist du in der Client Truppe macht den Server Part ein anderer obwohl du das selber fachlich vielleicht könntest. Also brav Ticket erstellen und warten bis das erledigt ist.
- man wird förmlich in das Arbeiten nach Ticketlage gezwungen, wer damit klar kommt für den ist das eher kein Contra
- Prüfungen muss man selber bezahlen, wenn man unbedingt den Schein will


@to:
Lohnt sich der Einstieg in den ÖD?
Wenn du eine Interessante Stelle findest, mit der EG zufrieden bist und den Faktor "Sicherheit" höher gewichtest, Feuer frei.

Reicht der eigene Teller?
Es gibt ein paar Kollegen, die sind mit ihrem Teller voll zufrieden, aber wenn du deinen Teller vergrößern willst, nimm alle Chancen mit die sich bieten. In der Freien schaut der Chef i.d.R. anders auf die Schulungswünsche, im ÖD geht da m.M.n. mehr. Auch lassen sich hier super Synergien nutzen wenn Teile des Jobs auch im Privaten liegen. Somit auch hier nutze die Möglichkeiten die sich bieten. Bei uns laufen einige die den Job als Basis nutzen und daneben noch Freiberuflich unterwegs sind ohne das als Broterwerb tun zu müssen, sondern einfach weil sie daran Spaß haben.
Member: woistmeinhandtuch
woistmeinhandtuch May 30, 2020 at 13:55:17 (UTC)
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Hallo zusammen,

vielen Dank für eure ausführlichen, ermutigenden Antworten! face-smile

@toniho: Dass ich in den Beruf des Systemadministrators wechseln möchte, liegt daran, dass ich gemerkt habe, dass mir das Einrichten, Konfigurieren etc. noch mehr Spaß macht als das Programmieren. Ich könnte mir auch gut vorstellen, bereichsübergreifend zu arbeiten, habe aber nach den Stellenanzeigen, die ich bisher gelesen habe, den Eindruck, dass Entwicklung und Administration im öffentlichen Dienst noch strikt getrennt werden. Aber was nicht ist kann ja noch werden.

@maretz: In erster Linie stellt sich mir die Frage, ob ein Umstieg/Quereinstieg mit einem gewissen Aufwand in meinem Fall machbar erscheint oder ob ich nicht drumherum komme, ganz von vorne anzufangen - inkl. eines wesentlichl niedrigeren Gehalts. Letzteres würde ich gerne vermeiden wollen. Ich erwarte aber auch weder Beamtenstatus noch ein hohes Gehalt. Mit EG 11 wäre ich schon zufrieden.

@H41mSh1C0R: So wie du es beschreibst würde ich es mir für die Zukunft auch wünschen. Ich würde meine Arbeit im öffentlichen Dienst als solide Basis betrachten und mir darüber hinaus auch noch etwas Kleines nebenher aufbauen wollen. Was meinst du denn mit "Lasst euch nicht kaputt spielen"? :D

Viele Grüße
Patrick
Member: woistmeinhandtuch
woistmeinhandtuch May 30, 2020 updated at 13:58:21 (UTC)
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Was haltet ihr denn von einem Zertifikatslehrgang wie dem für IT-Administratoren von der IHK?

siehe z.B. https://www.ihk-koeln.de/IT_Administrator.AxCMS
Member: maretz
maretz May 30, 2020 at 18:18:12 (UTC)
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Das erste was DU entscheiden musst ist was du dir zutraust. DAS kann hier keiner für dich übernehmen. Davon hängt aber ja ab was du am Anfang machen kannst. Es bringt eben nix wenn du grad mal nen Apache-Server eingerichtet bekommst das du dich auf ne Stelle bewirbst bei der es um grössere Netze geht. Das wird dir keinen Spass bringen wenn du Sachen zerlegst und deine Kollegen dann irgendwann genervt sind. Andersrum kann es aber ja sein das du bereits Erfahrung hast mit Netzwerken (das müssen ja nich gleich extrem grosse sein) - dann wäre es Zeitverschwendung sich erst mal um irgendwelche Drucker zu kümmern wenn das nich das Ziel sein soll...

Im Zweifel würde ich halt auch mal im Freundeskreis gucken und mit den Leuten sprechen die dich wirklich kennen... Es gibt leider immer wieder fehleinschätzungen. Und hier haben wir keinen Dieter Bohlen der die Leute auf den Boden holt ;)
Member: H41mSh1C0R
H41mSh1C0R May 30, 2020 at 20:52:25 (UTC)
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Zitat von @woistmeinhandtuch:
@H41mSh1C0R: .... Was meinst du denn mit "Lasst euch nicht kaputt spielen"? :D

Hi Patrick,

wer jung ist, der kann noch für eine größere Zeitspanne auf 150% laufen, nur irgendwann rächt sich das.
Jeder muss für sich die die Balance finden zwischen Gesundheit und das persönliche 100% im Job.

Im Consulting Bereich, interessiert nur das die Arbeit fertig wird, sonst ist man weg vom Fenster.
Im ÖD kann man da etwas(!) entspannter Arbeiten. Man hat seine Aufgaben und macht seinen Job!

Jetzt passiert es aber nicht so selten, das Kollegen einem unliebsame Aufgaben überhelfen wollen, die dir aber gefallen.
Vieles aus den technischen Bereichen macht irre Spaß, so das auch ich schnell in die Verlegenheit kam und Ja sagte.

Dann geht das Kaputtspielen los. Eine Nebenaufgabe jagt die nächste und solange man nicht NEIN Sagen lernt ist dein
Tisch schneller voll als dir lieb ist. Für alle Schichten über dir sind deine Aufgaben IMMER 100%, egal ob du Überstunden schiebst oder nicht.

Da stapeln sich dann die % und das geht vielleicht 1-2 Jahre gut, dann geht das ausbrennen los.

Somit finde ich es im ÖD extrem wichtig sich seine Aufgaben anzuschauen und nicht zu allem Ja sagen was um die Ecke gelaufen kommt.

=)

VG
Member: NetzwerkDude
NetzwerkDude May 31, 2020 at 08:46:45 (UTC)
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Das schöne ist das du dank deiner coding fähigkeiten etlichen Admins was voraus hast - gerade gibta ja auch interessante Jobentwicklungen wie DevOps das beide welten, administration und entwicklung zusammenbringt.

Ich würde nicht den weg über den 1st level support nehmen, da verlierst nur nerven und lernst vielleicht wie man outlook bedient.

Bewirb dich einfach auf Stellen die dich interessieren, ein gutes Unternehmen lädt dich zum gespräch ein und vielleicht ist es für jamaden interessant dein bisheriges Wissen zu nutzen und dich in die administration einzulernen.

Ach ja: ÖD ist nicht ÖD - da gibts große unterschiede, es gibt bereiche die sind stressiger wie vergleichbare Stellen in der Wirtschaft und es gibt auch Läden wo man Dienst nach (mindest)Vorschrift schiebt.