lochkartenstanzer
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Presserechtsurteil: Webseiten sind keine Presse!

Moin,

ein Berliner Verwaltungsgericht ist dieser Ansicht. Wenn man da weiter geht, sind auch bild.de, spiegel.de, heise.de, und viele andere "Blogs" keine Presse.

Da wird es sicher noch gewaltig im Karton rappeln.

lks

Edit:

Achtung der Blogeintrag ist recht lang:

Kurzfassung: Der Autor hatte hatte nach dem IFG Informationen vom Bundestag haben wollen und die wollten nichts rausrücken, weil er angeblich keine Presse wäre. Daraufhin hat er geklagt. er hat seine Informationen dann während der Verhandlung bekommen, allerdings wurde ihm abgesprochen, "Presse" zu sein, weil Presse angeblich nur bestimmte gedrukte Medien sein könnten. Wenn man der Argumentation des Gerichts folgt, würde damit auch vielen Online-Magazinen das Recht abgesprochen, "Presse" zusein.

http://www.danisch.de/blog/2016/01/31/presserechtsurteil-webseiten-sind ...

Content-ID: 294985

Url: https://administrator.de/forum/presserechtsurteil-webseiten-sind-keine-presse-294985.html

Ausgedruckt am: 11.04.2025 um 23:04 Uhr

Frank
Frank 03.02.2016 aktualisiert um 17:54:20 Uhr
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Hi,

was mir bei der ganzen Sache gefällt ist dieser Abschnitt:

Vielleicht ist es nützlicher, dieses Urteil rechtskräftig und entsprechend zum Spott und Gegenstand von Lobbyismus und politischer Korruption werden zu lassen.

und die Folgen daraus:

Interessant ist aber auch, dass mit dieser Entscheidung gleich eine ganze Reihe von Medien aus dem Presse-Begriff herausfallen: Heise Online, Golem, SPIEGEL Online, sowas wie Netzpolitik.org eigentlich sämtliche Zeitungen im Web. Jedenfalls dann, wenn sie nicht eng verbunden sind, denn viele Redaktionen halten ja Papier- und Online-Redaktion strikt getrennt. Aber nach der Formulierung des Urteils ist das eindeutig, nur Papier zählt.

Dagegen müssten eine ganze Reihe von Verlagen eigentlich rebellieren und darauf bestehen, auch Presse zu sein. Entweder auf dem Rechtsweg, oder aber auf dem Lobby-Weg, indem sie bei der Bundesregierung oder den Landesregierungen vorstellig werden.

Werbeblocker und Leistungsschutzrecht

Bei den Klagen gegen die Werbeblocker ist die Begründung der Verlage der "Eingriff in die Pressefreiheit". Auch das Leistungsschutzrecht ist ein Schutzrecht für Presseverleger. Würde das Urteils also Bestand haben, müsste Google, das nun nicht mehr als Presse angesehen werden kann, beim Leistungsschutzrecht keine Probleme mehr haben und auch die Klagen von Webseiten wie bild.de etc. gegen die Werbeblocker machen keinen Sinn mehr, da die Webseiten nun nicht mehr zur Presse gehören.

Ach, das wird ein Spaß face-wink

Gruß
Frank
C.R.S.
C.R.S. 04.02.2016 aktualisiert um 00:24:53 Uhr
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Zitat von @Lochkartenstanzer:

Wenn man da weiter geht, sind auch bild.de, spiegel.de, heise.de, und viele andere "Blogs" keine Presse.

Für die Qualifizierung als Presse gibt es keine Notwendigkeit. Differenziert wird in der Rechtsprechung, ob ein Telemedium unter dem Schutz der Pressefreiheit steht oder nicht. Ich hab nicht alles gelesen, aber wenn der Kläger schon das nicht verstanden hat, wird er kaum die diesbezügliche Presseähnlichkeit seiner Blogs begründet haben (anders als für die Genannten aussichtslos), sondern direkt auf den Pressebegriff des Landespressegesetzes gezielt haben. Mal dahingestellt, ob ein VG einen Laien damit so auflaufen lassen sollte. Ganz unverständlich wäre es nicht, wenn jemand das ohne Anwalt durchzieht, weil er dem augenscheinlich die Rechtslage auch nicht glauben würde...

Grüße
Richard
Frank
Frank 04.02.2016 aktualisiert um 13:21:49 Uhr
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Hallo Richard,

uh, da liegst du ausnahmsweise mal komplett falsch. Der Kläger Hadmut Danisch ist alles andere als ein Laie, er ist Autor von einigen Büchern und führt einen journalistischen/politischen Blog. Das macht er schon sehr lang und er nimmt deshalb keinen Anwalt, weil er keinen braucht (spart Prozesskosten). Er verklagt, um zu sehen, wie die Reaktion ist und um zusätzliche Informationen zu bekommen, die er ohne den Klageweg nicht bekommen würde. Lese dir am besten den ganzen Beitrag durch, ist zwar hart, aber sehr aufschlussreich. Ich habe locker eine Stunde dafür gebraucht.

Für die Qualifizierung als Presse gibt es keine Notwendigkeit.

Leider doch. Beim Thema Presserecht geht es ihm um das Auskunftsrecht, um Presseausweis etc. und nicht um die Pressefreiheit. Das Gericht sagt, da er nicht von der Presse ist, hat er auch kein Recht auf Auskunft. In seinem Fall wollten ihm der deutsche Bundestag ohne Presseausweis keine Informationen geben.

P.S. sein Blog ist übrigens Klasse und lesenswert.

Gruß
Frank
Lochkartenstanzer
Lochkartenstanzer 04.02.2016 um 11:16:01 Uhr
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Zitat von @c.r.s.:

Mal dahingestellt, ob ein VG einen Laien damit so auflaufen lassen sollte. Ganz unverständlich wäre es nicht, wenn jemand das ohne Anwalt durchzieht, weil er dem augenscheinlich die Rechtslage auch nicht glauben würde...

Frank hat ja das wesentliche schon gesagt. Aber anzunehmen. Hadmut wäre Laie, zeugt davon, daß derjenige ihn überhaupt nicht kennt, auch seinen Blog nicht gelesen hat. Auch wenn Hadmut keine Staatsexamen in der Juristerei abgelegt hat, ist sein juristisches Wissen deutlich besser als die der üblichen Wald und Wiesen-Juristen und sogar mancher Richter. Das dürfte mit ein weiterer Grund sein, warum er üblicherweise keinen Anwalt nimmt, weil er nämlich dem Anwalt erst aufklären und dann dafür auch noch bezahlen müßte (diese Erfahrung habe ich bisher mit den meisten Anwälten übrigens auch gehabt).

lks
C.R.S.
C.R.S. 04.02.2016 aktualisiert um 19:14:28 Uhr
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Hi Frank,

Zitat von @Frank:

Das Gericht sagt, da er nicht von der Presse ist, hat er auch kein Recht auf Auskunft.

Das ist der Eindruck, der entsteht, und das stört mich daran. Tatsächlich sagt das Gericht, dass er (hinsichtlich der Blogs) nicht Presse ist. Kein Recht auf Auskunft hat Danisch, weil die Fragen dumm gestellt waren. Er schneidet im Blog das Zitat ab:

Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die (beabsichtigte) Autorenschaft für ein dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterfallendes Erzeugnis den Kläger schon zu einem Vertreter der Presse im Sinne des § 4 Abs. 1 PresseG Bin macht und ihm damit eine Anspruchsberechtigung nach § 4 Abs. 1 PresseG Bln verleiht, kann hier allerdings im Ergebnis auf sich beruhen.
Denn das Auskunftsbegehren des Klägers geht über den Umfang des Auskunftsanspruches nach § 4 Abs. 1 PresseG Berlin hinaus.

Dann wird das im Urteil für die einzelnen Fragen ausgeführt.

Wie er außerdem selbst schreibt, kommt es hinsichtlich der Blogs auf die Presseeigenschaft für seinen Rechtsposition gar nicht an, weil er als Telemedienanbieter auch einen Auskunftanspruch hätte (§ 55 Abs. 2 RStV, unter den dort genannten Voraussetzungen). Das ist die Auffassung, der das Gericht implizit folgt, und die Rechte der Telemedienanbieter (primär) aus der Rundfunkfreiheit herleitet. Im Umkehrschluss zu entnehmen aus dem Satz:

So unscharf der Pressebegriff des § 4 PresseG Bln sein mag (...), ist jedoch davon auszugehen, dass er nur diejenigen Medien umfasst, die der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterfallen.

Ich habe oben die gängige Gegenauffassung angesprochen, dass Telemedienanbieter sich im Einzelfall auch auf die Pressefreiheit berufen könnten. Die liegt Danischs Position tendenziell näher, nützt ihm aber auch nicht. Denn das stünde, um den Pressebegriff nicht entgegen dem Gesetz zu erweitern, immer unter der Bedingung der Presseähnlichkeit des Telemediums. Damit würden ziemlich genau (das Gericht spricht von "Nachbildung") die Kriterien des § 55 Abs. 2 RStV kopiert ("journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote"), die auf die genannten Blogs m.E. nicht zutreffen.

Das Gericht prüft auch § 55 Abs. 2 RStV an, Seite 16. Der Anspruch kann aber - genau wie § 4 Abs. 1 PresseG - wegen der Formulierung der Fragen dahinstehen.

Der einzige Grund, sich nicht der gegebenen Anspruchsgrundlage als Telemedienanbieter zu bedienen sondern direkt unter den Pressebegriff zu wollen, dürfte sein, die verschärften Voraussetzungen der Presseähnlichkeit bzw. des jounalistisch-redaktionell gestalteten Telemediums unterlaufen zu wollen.
Den Verbreitern von Druckerzeugnissen unterstellt der Gesetzgeber aufgrund des damit zusammenhängenden Aufwands die journalistisch-redaktionelle Struktur. Außerdem sind die für Behörden und private Anspruchsteller leichter greifbar als Anbieter von Telemedien.

Man kann die Presseeigenschaft auch als historisch gewachsene Privilegierung der Druckerzeugnisse verstehen, aber: Wenn der Gesetzgeber (nur!) den allgemeinen, nicht presseähnlichen Telemedienanbietern ausdrücklich keine Presserechte einräumt, muss ein Gericht genau so entscheiden. Das ist auch vorhersehbar, weshalb ein beratener Kläger alles in die Begründung einer gegebenen Anspruchsgrundlage und nicht in eine offenkundig verwehrte gesteckt hätte.
Damit nicht durchzudringen, ist keine Sensation. Heise, Bild.de, SPON etc. betrifft es nicht, da alles presseähnlich.

Übrigens stellt sich auch die Frage, ob jeder Telemedienanbieter denn gern dem jeweiligen Landespressegesetz unterfallen würde, etwa § 7a.

Grüße
Richard
the-buccaneer
the-buccaneer 05.02.2016 um 03:05:07 Uhr
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Superspannend.

Aber ich empfehle dem Blogger dringend ein paar Semester Wissenschaftstheorie. (man kann das in 1 Semester auch lernen, er ist aber ein härterer Fall)

Die von ihm geforderte "Verifizierung" ist im positivistischen Pardigma (das er implizit zu verfechten scheint) nicht möglich. "Verifizierung" ist nichts als ein "nicht falsifizierter Zustand einer Hypothese". Das ist wissenschaftlich relevant, da Wahrheit nur der Beweis der "Nicht-Lüge" sein kann. Das Gericht hat z.B. an diesem Punkt absolut "state of the art" begründet.

Nichtsdestotrotz: Amüsanter Beitrag. Bis zu dem Presseteil bin ich noch nicht mal vorangeschritten.
Hervorragender Mann. Einfach mal mit juristischem Grundwissen und der nötigen Chuzpe den Finger in die Wunden legen.
Unser System wurde mal darauf gebaut, dass wir Bürger das tun (können)

Heute wichtiger denn je.

(Siehe z.B. Sascha Lobo zum Thema "Bargeld" aktuell)

Buc

(Dem Bier in einer zentral gelegenen Gastronomie mit Übernachtungsmöglichkeit nicht abgeneigt...)
Lochkartenstanzer
Lochkartenstanzer 05.02.2016 um 08:34:28 Uhr
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Zitat von @the-buccaneer:

Aber ich empfehle dem Blogger dringend ein paar Semester Wissenschaftstheorie. (man kann das in 1 Semester auch lernen, er ist aber ein härterer Fall)

Vorsichtig mit Empfehlungen. Hadmut hat mehr Erfahrung mit Wissenschaftstheorie, als die Leute vermuten.

Die von ihm geforderte "Verifizierung" ist im positivistischen Pardigma (das er implizit zu verfechten scheint) nicht möglich. "Verifizierung" ist nichts als ein "nicht falsifizierter Zustand einer Hypothese". Das ist wissenschaftlich relevant, da Wahrheit nur der Beweis der "Nicht-Lüge" sein kann. Das Gericht hat z.B. an diesem Punkt absolut "state of the art" begründet.

Falsch. Er besteht nicht auf Verifizierbarkeit, sondern auf (mögliche) Falsifizierbarkeit. Das sieht, wenn man seine Blog durchakcert. das geht aber nur, wenn die "Thesen" nicht frei aus der Luft gegriffen werden, sondern auch Belege gennant werden, anhand derer man die Thesen nachvolziehen und ggf sogar gegenbeispiele finden kann. Insbesondere müssen krierien angegeben werden, anhand derer man prüfen kann, ob eine tatsache für oder gegen die These spricht oder gar irrelevant für die These ist.

Was er anprangert ist, daß die ganzen "Gender-Wissenschaftler" ncihts greifbares liefern, anhand derer man die These nachvollziehen und ggf. falsizfizieren könnte. Oder was soll man von einem Studeiengang halten, wo eds keine festgelegten Lehrinhalte und Prüfungskriterien gibt. Anhand derer man feststellen könnte, was genau der Inhalt der Lehrveranstaltungen sein müßte?

Wie auch immer, Hadmut ist sowohl als Informatiker als auch als Jurist durchaus ernstzunehmen.

lks