Erfahrungsbericht Open Source Dolibarr ERP
Hallo miteinander.
Ich wollte hier einmal einen kurzen Erfahrungsbericht zum Open Source ERP System Dolibarr geben.
Seit ca. sechs Monaten verwende ich es als Werkzeug für die Auftragsabwicklung (Angebote, Auftragsbestätigungen, Bestellungen, Lieferscheine, Rechnungen, Gutschriften) und als CRM System.
Klar war für mich, dass ich die Datenbank und Dokumentenverwaltung in einer birtuellen Maschine unterbringen werde. Jetzt war noch die Frage, welches Betriebssystem sollte dort installiert werden.
Server Architektur
Habe daher zunächst einen Windows Server 2019 Evaluation als Basis genommen und die Installation gemäß Anleitung durchgeführt. Hier gab es keinerlei Probleme und die Einrichtung der Datenbank und der erste Aufruf des ERP-Systems über die Weboberfläche war in unter 60 Minuten erledigt (inkl. Aufsetzen der VM ).
Aufgrund meiner Neugier habe ich dann noch eine VM mit einem Ubuntu 18.04 Server aufgesetzt und die Einrichtung wiederholt. Die Geschwindigkeit des Seitenaufbaus bei der Linux Variante ist um einiges höher, weshalb ich dabei geblieben bin.
Das "Produkt"
Die Oberfläche ist recht intuitiv und schnell findet man sich dort zurecht. Es gibt eine Übersicht der Module, welche man alle aktivieren kann. Lizenzkosten sind nicht zu befürchten. Manche Erweiterungen, von der hauptsächlich französischen Community erstellt, sind allerdings teilweise kostenpflichtig.
Es gibt fast alles an Modulen, was das Herz begehrt, um seine Geschäftsprozesse abzubilden. Unter anderem gibt es auch zwei verschiedene Kassensysteme (für PC oder Tablet).
Für meine Zwecke kommen die Module Angebote, Produkte und Leistungen, Verkauf, Einkauf, Lieferscheine, Rechnungen, Gutschriften, Serviceaufträge, DMS und Bankkonten zum Einsatz. Die Drill-Down Philosophie ist durchgängig umgesetzt und man kann von beispielsweise einem Beleg aus schnell in Stammdaten oder Kundeninformationen springen.
Die Standardbelege sind vom Layout ausreichend schön und können mit allerhand Angaben zu Rechtstexten, eigenem Logo und Kontaktinformationen auf die persönlichen Wünsche angepasst werden. Wem das nicht reicht, kann auch eigene ODT Vorlagen erstellen und diese an die entsprechenden Belege verknüpfen. Oder man wagt sich an die PHP Formulare
Standardmäßig werden PDF Dateien erzeugt und direkt mit dem erzeugenden Beleg verknüpft. Das Anhängen von zusätzlichen Dokumenten ist an beinahe jeder Stelle möglich. Man kann entweder Links mit einem Beleg beispielsweise verknüpfen oder Dateien auf den Server hochladen. Auch öffentliche oder private Hinweise können nahezu überall hinterlegt werden.
Stammdaten wie Zahlungsmethoden, Liefer- und Zahlungsbedingungen oder Maßeinheiten und Vieles mehr können beliebig erweitert werden. Der gesamte Funktionsumfang ist dem eines kommerziellen Produktes im ERP Sektor sehr ähnlich. Auch Datenexporte in Excel Dokumente ist aus jeder Beleg oder Statistik über ein separates Modul möglich. Hier können Standard-Exports abgespeichert und somit wiederverwendet werden.
Benutzer und Gruppen können verwaltet und nach Belieben erstellt werden. E-Mail Versand aus Dolibarr ERP ist ebenso möglich, wie Sicherungen der Datenbank und Wiederherstellung. Der Update Prozess ist einfach gehalten und auf der Dolibarr Website in verschiedenen Sprachen für die verschiedenen Installationsmethoden gut beschrieben. Angepasste Standard-Formulare sollten vor einem Update jedoch gesichert werden, da diese mitunter überschrieben werden können.
In den sogennanten Serviceaufträgen können Zeiten und Tätigkeitsbeschreibungen erfasst werden. Aus diesen Aufträgen kann dann auch direkt eine Rechnung für den entsprechenden Geschäftspartner erstellt werden.
Warenlieferungen und Bestände können genauso geführt werden, wie eine Chargenverfolgung möglich ist. Gerade für Hardware wie HDDs, SSDs, etc. ist dies ein gutes Mittel schnell etwaigen Reklamationen oder Nachverfolgungen von "Lebensdauern" nachzugehen.
Ingesamt ist der Funktionsumfang vollkommen ausreichend, um jedem Handelsbetrieb, Dienstleistern oder jedem nicht selbst produzierenden Unternehmen gerecht zu werden.
Auch auf dem Smartphone macht Dolibarr eine gute Figur. Es gibt zwar Apps, jedoch ist die Weboberfläche direkt im Browser sehr gut skaliert und zu bedienen. Eine Installation, der nicht so wirklich gut funktionierenden Apps, kann man sich getrost sparen.
Was es zu beachten gilt
Genug des Lobes, nun zu den Fakten, mit denen man sich ebenfalls auseinandersetzen muss.
Zu den Schattenseiten zählt ganz klar die Tatsache, dass eine DSGVO und GoBD konforme Ablage von Dokumenten nicht vorliegt. Dafür müsste ein externes DMS angebunden werden.
Auch können erstellte Rechnungen nachdem Sie als "bezahlt" markiert wurden wiedereröffnet werden, wenn die damit verknüpfte Zahlung gelöscht wird. Dies ist für Wirtschaftsprüfer ein Dorn im Auge. Die Buchhaltung habe ich aktuell noch nicht gänzlich durchgetestet, aber bisher habe ich keine Möglichkeit der Festschreibung der Belege und Zahlungen auf Bankkonten eines Wirtschaftsjahres oder eines anderen Zeitraums finden können.
Seit dem letzten Update (11.0.3) ist leider in der Anzeige der Serviceaufträge die Gesamtsumme nicht mehr in Stunden, sondern in Sekunden. Hier scheint ein Schalter, welchen man nicht selbst wieder zurückdrehen kann, fälschlicherweise umgelegt worden zu sein.
Off-Topic
Bezüglich der Themenauswahl würde ich noch vorschlagen ERP im Allgemeinen zur Auswahl zu stellen. Denn es ist zwar in Linux und Windows nutzbar, aber hier geht es ja eher um die Erfahrung mit dem System an sich.
Für Fragen und Anregungen stehe ich gerne zur Seite.
Gruß
Radiogugu
Ich wollte hier einmal einen kurzen Erfahrungsbericht zum Open Source ERP System Dolibarr geben.
Seit ca. sechs Monaten verwende ich es als Werkzeug für die Auftragsabwicklung (Angebote, Auftragsbestätigungen, Bestellungen, Lieferscheine, Rechnungen, Gutschriften) und als CRM System.
Klar war für mich, dass ich die Datenbank und Dokumentenverwaltung in einer birtuellen Maschine unterbringen werde. Jetzt war noch die Frage, welches Betriebssystem sollte dort installiert werden.
Server Architektur
Habe daher zunächst einen Windows Server 2019 Evaluation als Basis genommen und die Installation gemäß Anleitung durchgeführt. Hier gab es keinerlei Probleme und die Einrichtung der Datenbank und der erste Aufruf des ERP-Systems über die Weboberfläche war in unter 60 Minuten erledigt (inkl. Aufsetzen der VM ).
Aufgrund meiner Neugier habe ich dann noch eine VM mit einem Ubuntu 18.04 Server aufgesetzt und die Einrichtung wiederholt. Die Geschwindigkeit des Seitenaufbaus bei der Linux Variante ist um einiges höher, weshalb ich dabei geblieben bin.
Das "Produkt"
Die Oberfläche ist recht intuitiv und schnell findet man sich dort zurecht. Es gibt eine Übersicht der Module, welche man alle aktivieren kann. Lizenzkosten sind nicht zu befürchten. Manche Erweiterungen, von der hauptsächlich französischen Community erstellt, sind allerdings teilweise kostenpflichtig.
Es gibt fast alles an Modulen, was das Herz begehrt, um seine Geschäftsprozesse abzubilden. Unter anderem gibt es auch zwei verschiedene Kassensysteme (für PC oder Tablet).
Für meine Zwecke kommen die Module Angebote, Produkte und Leistungen, Verkauf, Einkauf, Lieferscheine, Rechnungen, Gutschriften, Serviceaufträge, DMS und Bankkonten zum Einsatz. Die Drill-Down Philosophie ist durchgängig umgesetzt und man kann von beispielsweise einem Beleg aus schnell in Stammdaten oder Kundeninformationen springen.
Die Standardbelege sind vom Layout ausreichend schön und können mit allerhand Angaben zu Rechtstexten, eigenem Logo und Kontaktinformationen auf die persönlichen Wünsche angepasst werden. Wem das nicht reicht, kann auch eigene ODT Vorlagen erstellen und diese an die entsprechenden Belege verknüpfen. Oder man wagt sich an die PHP Formulare
Standardmäßig werden PDF Dateien erzeugt und direkt mit dem erzeugenden Beleg verknüpft. Das Anhängen von zusätzlichen Dokumenten ist an beinahe jeder Stelle möglich. Man kann entweder Links mit einem Beleg beispielsweise verknüpfen oder Dateien auf den Server hochladen. Auch öffentliche oder private Hinweise können nahezu überall hinterlegt werden.
Stammdaten wie Zahlungsmethoden, Liefer- und Zahlungsbedingungen oder Maßeinheiten und Vieles mehr können beliebig erweitert werden. Der gesamte Funktionsumfang ist dem eines kommerziellen Produktes im ERP Sektor sehr ähnlich. Auch Datenexporte in Excel Dokumente ist aus jeder Beleg oder Statistik über ein separates Modul möglich. Hier können Standard-Exports abgespeichert und somit wiederverwendet werden.
Benutzer und Gruppen können verwaltet und nach Belieben erstellt werden. E-Mail Versand aus Dolibarr ERP ist ebenso möglich, wie Sicherungen der Datenbank und Wiederherstellung. Der Update Prozess ist einfach gehalten und auf der Dolibarr Website in verschiedenen Sprachen für die verschiedenen Installationsmethoden gut beschrieben. Angepasste Standard-Formulare sollten vor einem Update jedoch gesichert werden, da diese mitunter überschrieben werden können.
In den sogennanten Serviceaufträgen können Zeiten und Tätigkeitsbeschreibungen erfasst werden. Aus diesen Aufträgen kann dann auch direkt eine Rechnung für den entsprechenden Geschäftspartner erstellt werden.
Warenlieferungen und Bestände können genauso geführt werden, wie eine Chargenverfolgung möglich ist. Gerade für Hardware wie HDDs, SSDs, etc. ist dies ein gutes Mittel schnell etwaigen Reklamationen oder Nachverfolgungen von "Lebensdauern" nachzugehen.
Ingesamt ist der Funktionsumfang vollkommen ausreichend, um jedem Handelsbetrieb, Dienstleistern oder jedem nicht selbst produzierenden Unternehmen gerecht zu werden.
Auch auf dem Smartphone macht Dolibarr eine gute Figur. Es gibt zwar Apps, jedoch ist die Weboberfläche direkt im Browser sehr gut skaliert und zu bedienen. Eine Installation, der nicht so wirklich gut funktionierenden Apps, kann man sich getrost sparen.
Was es zu beachten gilt
Genug des Lobes, nun zu den Fakten, mit denen man sich ebenfalls auseinandersetzen muss.
Zu den Schattenseiten zählt ganz klar die Tatsache, dass eine DSGVO und GoBD konforme Ablage von Dokumenten nicht vorliegt. Dafür müsste ein externes DMS angebunden werden.
Auch können erstellte Rechnungen nachdem Sie als "bezahlt" markiert wurden wiedereröffnet werden, wenn die damit verknüpfte Zahlung gelöscht wird. Dies ist für Wirtschaftsprüfer ein Dorn im Auge. Die Buchhaltung habe ich aktuell noch nicht gänzlich durchgetestet, aber bisher habe ich keine Möglichkeit der Festschreibung der Belege und Zahlungen auf Bankkonten eines Wirtschaftsjahres oder eines anderen Zeitraums finden können.
Seit dem letzten Update (11.0.3) ist leider in der Anzeige der Serviceaufträge die Gesamtsumme nicht mehr in Stunden, sondern in Sekunden. Hier scheint ein Schalter, welchen man nicht selbst wieder zurückdrehen kann, fälschlicherweise umgelegt worden zu sein.
Off-Topic
Bezüglich der Themenauswahl würde ich noch vorschlagen ERP im Allgemeinen zur Auswahl zu stellen. Denn es ist zwar in Linux und Windows nutzbar, aber hier geht es ja eher um die Erfahrung mit dem System an sich.
Für Fragen und Anregungen stehe ich gerne zur Seite.
Gruß
Radiogugu
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Content-ID: 561065
Url: https://administrator.de/knowledge/erfahrungsbericht-open-source-dolibarr-erp-561065.html
Ausgedruckt am: 25.12.2024 um 05:12 Uhr
1 Kommentar
Hallo Radiogugu,
ich kann Deinen guten Eindruck von Dolibarr nur bestätigen, das System nutzen wir inzwischen auch. Meiner Meinung nach ist es in Deutschland völlig unterbewertet - in Frankreich (Ursprung des Projektes) ist es fast schon Mainstream.
Bezüglich Deiner Punkte zu DSGVO und GoBD noch folgende Ergänzungen/Anmerkungen: Inzwischen (wir nutzen die Version 14) kann man konfigurieren, dass geschlossene Rechnungen nicht wieder geöffnet (und damit geändert) werden können.
Das mit dem nicht revisionssicheren DMS ist in der Tat einer der wenigen Nachteile. Da unsere entsprechenden Dokumente in der Regel (Angebote, Rechnungen) per E-Mail versendet werden, haben wir das über eine revisionssichere E-Mail Archivierung gelöst. Das ist auch so ein Thema - den kompletten Mailverkehr automatisch zu speichern ist Tabu wg. DSGVO. Eine Vorsortierung der E-Mails ist damit quasi Pflicht. Für die E-Mails, die übrig bleiben, gibt es dafür die strengen Forderungen der GoBD (Nachweis der Manipulationsfreiheit).
Weil es für uns als kleines Unternehmen nichts Passendes gab (Vorsortierungsmöglichkeit, Mindestabnahme, Preis, Vendor-Lock-in...), haben wir am Ende eine eigene Lösung entwickelt, die unsere vergleichsweise geringe Menge an E-Mails direkt im IMAP-Postfach revisionsgesichert und mit Zeitstempeln versehen ablegt. Da die Lösung vielleicht auch für den einen oder anderen nützlich sein kann, der Verweis auf RevisionsArchiv.de (ich hoffe, die Nennung ist ok).
Abschließend noch der Hinweis auf das Modul "Unveränderliche Archive", das inzwischen im Standardumfang von Dolibarr enthalten ist und einfach aktiviert werden kann. Es schreibt alle Rechnungen und anderen relevanten Transaktionen in einem nicht veränderbaren Log (verkettet nach dem Blockchain-Prinzip) fest. Das folgt entsprechenden französischen Vorschriften. Der einzige Nachteil besteht darin, dass nicht das Rechnungsdokument incl. Layout festgeschrieben wird, sondern nur die Daten innerhalb der Rechnung (Empfänger, Rechnungspositionen, Beträge etc.). Das entspricht dann nicht ganz exakt den GoBD, ist aber bei einer Prüfung vermutlich viel besser als nichts.
Gruß
priojk
ich kann Deinen guten Eindruck von Dolibarr nur bestätigen, das System nutzen wir inzwischen auch. Meiner Meinung nach ist es in Deutschland völlig unterbewertet - in Frankreich (Ursprung des Projektes) ist es fast schon Mainstream.
Bezüglich Deiner Punkte zu DSGVO und GoBD noch folgende Ergänzungen/Anmerkungen: Inzwischen (wir nutzen die Version 14) kann man konfigurieren, dass geschlossene Rechnungen nicht wieder geöffnet (und damit geändert) werden können.
Das mit dem nicht revisionssicheren DMS ist in der Tat einer der wenigen Nachteile. Da unsere entsprechenden Dokumente in der Regel (Angebote, Rechnungen) per E-Mail versendet werden, haben wir das über eine revisionssichere E-Mail Archivierung gelöst. Das ist auch so ein Thema - den kompletten Mailverkehr automatisch zu speichern ist Tabu wg. DSGVO. Eine Vorsortierung der E-Mails ist damit quasi Pflicht. Für die E-Mails, die übrig bleiben, gibt es dafür die strengen Forderungen der GoBD (Nachweis der Manipulationsfreiheit).
Weil es für uns als kleines Unternehmen nichts Passendes gab (Vorsortierungsmöglichkeit, Mindestabnahme, Preis, Vendor-Lock-in...), haben wir am Ende eine eigene Lösung entwickelt, die unsere vergleichsweise geringe Menge an E-Mails direkt im IMAP-Postfach revisionsgesichert und mit Zeitstempeln versehen ablegt. Da die Lösung vielleicht auch für den einen oder anderen nützlich sein kann, der Verweis auf RevisionsArchiv.de (ich hoffe, die Nennung ist ok).
Abschließend noch der Hinweis auf das Modul "Unveränderliche Archive", das inzwischen im Standardumfang von Dolibarr enthalten ist und einfach aktiviert werden kann. Es schreibt alle Rechnungen und anderen relevanten Transaktionen in einem nicht veränderbaren Log (verkettet nach dem Blockchain-Prinzip) fest. Das folgt entsprechenden französischen Vorschriften. Der einzige Nachteil besteht darin, dass nicht das Rechnungsdokument incl. Layout festgeschrieben wird, sondern nur die Daten innerhalb der Rechnung (Empfänger, Rechnungspositionen, Beträge etc.). Das entspricht dann nicht ganz exakt den GoBD, ist aber bei einer Prüfung vermutlich viel besser als nichts.
Gruß
priojk