albertminrich
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Lokale oder statische Route. Was geht vor?

Hallo,

ein Router hat ein IP Interface im Netz 172.16.16.0/24.
Er hat also eine lokale Route für dieses Netz.
Jetzt erstellt man auf dem Router eine statische Route für 172.16.16.111/32 mit einem anderen Ziel (anderer Router).
Was geht vor, lokale oder statische Route?
Ist das standardisiert oder macht das jeder Hersteller wie er will.

Ich arbeite seit Jahren mit Ciscoroutern. Da hat die statische Route eine höhere Priorität.
Bei Alcatel scheint das anders zu sein.

Danke
Gruß
Albert

Content-ID: 590485

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Ausgedruckt am: 24.11.2024 um 04:11 Uhr

tikayevent
tikayevent 24.07.2020 um 20:58:42 Uhr
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Normal hat die spezifischste Route, also die mit den meisten Einsen in der Subnetzmaske, den Vorrang. Gibt es hier mehrere, hat Connected Vorrang vor Static.
certifiedit.net
certifiedit.net 24.07.2020 um 21:58:49 Uhr
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Kommt immer drauf an, gibt ja auch noch Metriken, Gewichtungen usw.
LordGurke
LordGurke 25.07.2020 aktualisiert um 01:44:39 Uhr
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So allgemeingültig kann man sagen, dass die meisten Hersteller sich weitesgehend identisch verhalten.
Die Ermittlung der zu nutzenden Route ergibt sich normalerweise über diesen vereinfachten Weg in der dargestellten Reihenfolge:

  1. Es wird die Route mit der besten Spezifik ermittelt. Je kleiner die Netzmaske einer passenden Route ist, desto präferierter ist die Route. Eine IPv4-Route mit /32 Präfixlänge ist die "Most-Specific" Route, die nicht mehr freingranularer dargestellt werden kann und ist dadurch per se bevorzugt gegenüber jeder /24-Route. Das Gegenteil ist die Defaultroute 0.0.0.0/0 - diese wird durch jede andere passende Route überschrieben.
  2. Existieren mehrere funktionierende² Routen mit gleicher Spezifik, wird (sofern dein Router es kann) die Administrative Distanz der Routen ausgewertet. Diese ist mehr oder weniger herstellerübergreifend genormt und gibt an, wie "zuverlässig" eine Route ist. Eine verbundene Route hat die beste Administrative Distanz, direkt gefolgt von statischen Routen. Dann kommen weiter hinten Routingprotokolle wie BGP, OSPF, Defaultroute per DHCP oder RA...
  3. Existieren mehrere funktionierende Routen mit gleicher Spezifik und gleicher Administrativer Distanz, werden Metrik und Gewichtung verglichen. Die Metrik wird bei statischen Routen von Hand vergeben (je niedriger die Zahl, desto besser ist die Route), bei verbundenen Routen wird diese häufig über die Interface-Geschwindigkeit berechnet (je schneller das Interface, desto besser ist die Route). Abhängig vom Hersteller ziehen die Router weitere Werte heran, wie beispielsweise "Local Preference" oder Gewichtung. Im wesentlichen entspricht das aber der Idee wie bei der Metrik.
  4. Load-Sharing: Wenn wirklich mehrere gleichwertige Routen mit unterschiedlichen Zielen vorhanden sind, machen die besseren Router Load-Sharing über die Ziele. Dies bedeutet, dass der Traffic möglichst gleichmäßig über alle verfügbaren Routen verteilt wird. Wenn der Router dies nicht kann oder Load-Sharing deaktiviert ist, wird die beste Route in den meisten Fällen über die Interface-ID bestimmt und das erste Interface genommen.


Für deinen Fall bedeutet das:
Route 172.16.16.111/32 ist spezifischer als alle anderen Routen und wird deshalb herangezogen, auch wenn die anderen Routen über ihre Administrative Distanz eigentlich besser wären. Das wird dir aber ein Problem einbringen: Traffic von 172.16.16.0/24 an die 172.16.16.111 wird normalerweise nicht an das Gateway gerichtet, so dass diese IP für dieses Netz nicht erreichbar ist. Hierfür müsste dein Router Proxy-ARP machen, um sich selbst bei ARP-Anfragen nach 172.16.16.111 zu melden und so den Traffic zu sich zu ziehen.


Anderes Beispiel:
Wenn du eine statische Route für 172.16.16.0/24 anlegst, welche auf einen anderen Router zeigst und du gleichzeitig eine verbundene Route mit exakt gleicher Netzmaske hast passiert folgendes:
  • Solange das Interface in Betrieb ist, auf dem die verbundene Route konfiguriert ist, wird dein Router aufgrund der besseren Administrativen Distanz den Traffic auf dieses verbundene Interface leiten.
  • Geht das Interface down, wird die darauf liegende Route invalidiert und die statische Route greift.
  • Geht das Interface wieder up, wird die Route wieder darauf gelegt und ist dann wieder die beste Route.


Noch ein anderes Beispiel:
Du legst zwei statische Routen für 172.20.20.0/24 an, welche auf zwei unterschiedliche Router zeigen:
  • Zielrouter .1 mit Metrik 100
  • Zielrouter .2 mit Metrik 200
  • Es wird immer die Route zur .1 verwendet, da diese die bessere Metrik hat.
  • Sollte der Router .1 nicht mehr erreichbar sein, werden die auf ihn zeigenden Routen ebenfalls nach einer Zeit unerreichbar und werden nicht mehr genutzt.
  • Dadurch wird plötzlich die Route über .2 aktiv, die diese jetzt die beste funktionierende Route ist.
  • Wird Router .1 wieder erreichbar, werden die Routen wieder aktiviert.
  • Würden Router .1 und .2 gleichzeitig unerreichbar, werden beide Routen invalidiert und es greift die nächstbeste Route. Das kann die Defaultroute sein oder alles, was von der Spezifik her irgendwo zwischen 0.0.0.0/0 und 172.20.20.0/24 liegt.


² "Funktionierend" bedeutet: Bei Verbundenen Routen muss das zugehörige Interface aktiv sein, bei statischen Routen muss das Routingziel erreichbar sein.
aqui
aqui 25.07.2020 aktualisiert um 11:43:52 Uhr
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Ich arbeite seit Jahren mit Ciscoroutern. Da hat die statische Route eine höhere Priorität.
Das ist Unsinn bzw. kann man so pauschal und oberflächlich wie du es hier ausdrückst so nicht sagen ! Als Cisco Netzwerker solltest du das auch wissen.
Die Cisco Routing Funktionen verhalten sich exakt nach den üblichen Standards wie sie der Kollege @LordGurke oben ja bereits ausführlich dargestellt hat.
Großes Kompliment dazu übrigens, denn besser und umfassender hätte man das nicht beschreiben können !
AlbertMinrich
AlbertMinrich 28.07.2020 um 21:01:56 Uhr
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Danke für alle Antworten

Gruß
Albert